Sherlock Special: The Abominable Bride (O, 2016)

Anmerkung: Diese Kritik kann marginale Spoiler zum Special, aber auch Spoiler zu den vorangegangen Staffeln enthalten.

Als SHERLOCK-Fan muss man schon Ausdauer beweisen. Während andere Serien pro Jahr 5-24 Folgen produzieren, muss man auf die kläglichen 230 Minuten einer neuen SHERLOCK-Staffel satte zwei Jahre warten. Um den Fans die Wartezeit etwas erträglicher zu machen, gab es inzwischen eine Fan-Konvention (siehe Vor-Ort-Berichte von → Petra (englischsprachig) und → Bianca (deutschsprachig)) und Zugeständnisse zu einem Weihnachtsspecial, dass dann schlussendlich erst am 1. Januar 2016 ausgestrahlt wurde. Die deutschen Fans konnten das Special entgegen ursprünglicher Aussagen weder im Kino noch in der ARD sehen, was indiziert, dass die deutsche Effizienz und Pünktlichkeit, die im Ausland immer so gelobt wird, für Inländer nicht zu gelten scheint. [Mit anderen Worten: Die Autorin dieser Zeilen ist darüber stinksauer, hat sich bereits schriftlich bei der ARD beschwert und war gezwungen, sich über halblegalem Wege die Folge anzusehen. Gleich mehrfach. Damit sich Quadrataugenrunde nicht wieder beschwert, die Autorin würde zu wenig analysieren.] Zur Handlung: Im viktorianischen London des Jahres 1895 treibt eine mörderische Braut ihr Unwesen. Emilia Ricoletti (Natasha O’Keeffe) schießt auf mehrere Passanten, danach richtet sie sich selbst. Kurz darauf wird ihr Mann (Gerald Kyd) von der vermeintlich Toten hingerichtet. Es häufen sich die Morde, aber Sherlock (Benedict Cumberbatch) zeigt kein sonderliches Interesse für den Fall. Er hält die Morde für Trittbrettfahrer. Erst als Bruder Mycroft (Mark Gatiss) ihn erneut auf den Fall ansetzt und sowohl Watson (Martin Freeman) und auch Sherlock die tote Braut zu Gesicht bekommen, ist sein Interesse geweckt. Er will hinter das Geheimnis des mysteriösen Falls kommen.

Das Intro: „The stage is set. The curtain rises.“

Die Wartezeit hat sich definitiv gelohnt. Man wird wieder viel über diese Folge schreiben und herumanalysieren, denn das Special ist vollbepackt mit Referenzen zu den vorherigen Staffeln, aber auch darüber hinaus auf Arthur Conan Doyles Romanvorlage. Vor dem eigentlichen Intro erfolgt eine Zusammenfassung der bisherigen Staffeln. Es wird eine alternative Realität aufgemacht, die 1895 spielt und mit Johns Verwundung im → Zweiten Afghanistankrieg, dessen Treffen mit Stamford und das erste Aufeinandertreffen mit Sherlock beginnt. Dabei handelt es sich um eine Kurzform der in Staffel 1 gezeigten Eröffnungsszenen. Das Special verfügt über ein abgewandeltes Intro. Statt Autos und Bussen auf Londons Straßen, Kutschen in schwarz-weiß. Wie in der Buchvorlage handelt es sich zu Beginn bei Watson um den Erzähler, der aus dem Off in der Ich-Perspektive von dem mysteriösen Fall berichtet. Er spricht zu Beginn auch mit einem Zeitungsverkäufer des Strand Magazine. In der monatlich erschienenen Literaturzeitschrift veröffentlichte Arthur Conan Doyle die Abenteuer seines Meisterdetektivs.

Szenenbild aus SHERLOCK: THE ABOMINABLE BRIDE - Mary Watson (Amanda Abbington) - © BBC
Mary Watson (Amanda Abbington) – © BBC
Rollen und Rollenbilder: „She likes to feel involved.“

Weite Teile des Castes sind wieder mit dabei, haben aber teilweise andere Rollen. Frauen waren Ende des 19. Jahrhunderts in erster Linie für die Hausarbeit eingeteilt sind und hatten in der durch Männer geprägten Welt auch wenig Rechte ihre Meinung äußern zu dürfen (recht schön zu sehen in der Diskussion, die Watson mit seinem Hausmädchen führt) geschweigedenn zu wählen. Daher wäre es nicht plausibel, wenn mit Molly Hooper eine Frau in der Gerichtsmedizin arbeitet. Ohnehin ist Molly eine Kreation der Autoren Gatiss und Moffat, die ursprünglich Molly nur eine minimale Nebenrolle zudachten, aber angesichts der überwältigenden Publikumreaktion diese Figur zum festen Bestandteil der Serie machten. Daher war es nur konsequent, dass sich Hooper im viktorischen London als Mann ausgibt. Louise Brealey ist mit Schnauzbart und Perücke fast nicht mehr wiederzuerkennen, nur die zarte Stimme verrät sie. Auch Mycroft hat sich verändert.  Das viktorianische Gegenstück des → athletischen Regierungsbeamten hockt im Diogenes Club und steckt sich den lieben langen Tag Fressalien in den Mund und sieht auch dementsprechend so aus. Insgesamt lässt sich in THE ABOMINABLE BRIDE ein stark feministischer Subtext ausmachen, der sich durch nahezu alle Szenen zieht. Mycroft beschreibt in einem Monolog einen unsichtbaren Feind, der an vielen Orten gleichzeitig ist und eine starke Kraft hat. Gleichzeitig sagt er, dass man diesen Kampf nicht gewinnen könne,  „because they are right and we are wrong“. Damit ist selbstverständlich → die Suffragettenbewegung gemeint, die Anfang der 20. Jahrhunderts in Großbritannien und den Vereinigten Staaten für die Rechte der Frauen eintrat.

Szenenbild aus Sherlock: The Abominable Bride - Sherlock (Benedict Cumberbatch) - © BBC
Sherlock (Benedict Cumberbatch) – © BBC
Wiederkehrende Motive: „Dead is the new sexy!“

Neben den Schauspielern findet sich Motive, die man in anderer Form bereits schon in den vorherigen Staffeln gesehen hat. Die Liste dieser Details ist schier entlos und dies soll nur eine Auswahl der besonders plakativen Motive sein. Zunächst mal ist die mörderische Braut nicht neu. In der dritten Staffel findet sich neben der Hochzeit von John und Mary auch in Sherlocks Mindpalace → Mary als Braut, die ihn anschießt. Die untote Frau hat aber auch ihre Herkunft in der „Reichenbach-Folge“, da sowohl die Braut als auch Moriarty gleichzeitig tot und lebendig sein können. Stichwort→ Schrödingers Katze. Nachdem Moriarty am Ende der dritten Staffel angeblich ebenfalls wieder von den Toten aufersteht, stellt sich natürlich die Frage, wie er den Schuss in den Kopf überleben konnte. Auch das Motiv eines Geistes ist seit „The Hounds of Baskerville“ kein neues. Auch hier glauben Holmes und Watson den Gerüchten zunächst kaum. Erst als sie den Geist tatsächlich mit eigenen Augen sehen, beginnen sie mit der Untersuchung. Die fünf Orangenkerne, die Mr. Carmichael als Vorbote seines kommenden Todes zugestellt bekommt, beziehem sich natürlich auf die Kurzgeschichte → „The five orange pips“ und tauchte bereits in der „Great Game“-Folge in Form von einem elektronischem Piepen auf.

Szenenbild aus SHERLOCK: THE ABOMINABLE BRIDE - John Watson (Martin Freeman) - © BBC
John Watson (Martin Freeman) – © BBC
Das Special – directed by Christopher Nolan?!

Über dieses Special zu jammern ist Jammern auf sehr sehr hohem Niveau. Offenbar konnte aber auch Regisseur Douglas Mackinnon der Versuchung nicht wiederstehen, ordentlich Effekte einzubauen, die zwar hübsch aussehen, dafür aber nicht die Handlung voranbringen – wie schon in Staffel 3. Das hektische Herumgefliege in die passende Situation passt nicht zum altehrwürdigen London-Setting. Positives Gegenbeispiel ist dagegen der altmodische Mindpalace, in dem Sherlock in der Luft fliegende Zeitungsartikel durchsieht. Absoluter Brüller ist natürlich die (Pseudo?)-Zeichensprache, die Sherlock im Diogenes Club, in dem man bekanntermaßen ja nicht sprechen darf, benutzt, um herauszufinden, wo sich sein Bruder befindet. Wie gut Zeichensprache funktioniert, weiß Steven Moffat spätestens seit DOCTOR WHO (→ der Doctor und Donna). THE ABOMINABLE BRIDE ist im Grunde eine INCEPTION bei Sherlock . Als sich Sherlock am Reichenbachfall wiederfindet, meint der ebenfalls anwesende Moriarty „To deep, Sherlock, way to deep. Congratulations, you’ll be the first man in history to be buried in his own mind palace.“ Es scheint, als sei der Reichenbachfall, insbesondere aber Moriarty, so etwas wie der Limbus für Sherlock zu sein. Weiter hinunter geht es nicht mehr.  Schon einmal ist Sherlock im Limbus seines Mind Palaces → auf Moriarty getroffen, nämlich als er von Mary angeschossen wurde. Das erklärt auch Moriartys Monolog am Reichenbachfall: „I am your weakness. I keep you down. Everytime you stumble, everytime you fail, when you’re weak. I am there.“ Das Gerangel der beiden an diesem surrealen Ort erinnert nicht nur stark an die Illustration von Sidney Paget, sondern bedient auch das bekannte Klischee vom großen Showdown zweier verfeindeter Parteien im Regen (wie z.B. → in MATRIX REVOLUTIONS). Neu ist allerdings, dass dort unten auch Watson auftaucht und Sherlock aus der Patsche hilft. Wie auch in INCEPTION kann sich der Träumende nur durch das Fallen aus dem Level befreien, was auch erklärt, warum Sherlock ein weiteres Mal breit die Arme ausstrecken muss. Der feministische Subtext kommt etwas zu sehr mit der Moralkeule daher und ist dementsprechend wuchtig. Entgegen der Aussage der Macher, es handle sich um eine eigenständige Geschichte, die unabhängig zum Handlungsstrang der modernisierten Sherlock-Adaption steht, enthält der Film durchaus Szenen, die im London der Jetztzeit spielen und nahtlos an das Ende der dritten Staffel anknüpfen. Das Special ist erstaunlich ernst geworden. Natürlich verteilen Sherlock und Mycroft wieder großzügig Beleidigungen aus, die aber im vollbepackten Plot etwas untergehen.

Sympathisch, ernsthaft, gut (5/6)

Trailer: © BBC

21 thoughts on “Sherlock Special: The Abominable Bride (O, 2016)

  1. Hach, das war toll. Und deine Rezi ist wirklich gut! Ich muss mir die Folge auf jeden Fall auch so bald wie möglich noch mal anschauen, einmal reicht da definitiv nicht.
    „I’m glad you liked my potato“ 😀

  2. Uh, namentliche Erwähnung, das wirkt etwas komisch auf mich. ^^
    Ich kommentiere hier eigentlich relativ wenig Blogs und dieser hier, gehört auf jeden Fall zu den lesenswerten und gut gemachten.
    Auf der ganz persönlichen Ebene nehme ich dir die 5/6 für Carol natürlich übel. Das ist viel zu wenig! 😛 😉

    Mir hat die Folge gestern sehr gut gefallen.
    Ich dachte vor der Sendung, dass es wirklich nur ein Weihnachtsspecial ist. Stand Alone Episode, Sherlock im 19. Jahrhundert.
    Ich mochte den Fall, die Anspielungen waren charmant und der viktorianische Watson war super.

    1. Schön, dass wir zwei uns wieder vertragen. 😉 Und dass es genügend Analyse und Kritik war. Da bin ich aber erleichtert.

      P.S. Und 5/6 ist doch keine schlechte Wertung (siehe Sherlock Special). Ist doch noch im Rahmen des Ertragbaren. 😛

  3. Das hast Du wirklich gut zusammen gefasst. Es war ein hochkomplizierter Plot, ich fand die Zeitsprünge etwas entnervend. Ganz persönlich hätte es mir besser gefallen wenn sie einfach in der viktorianischen Zeit geblieben wären…..aber spannend, wie immer 🙂

  4. Hallo Franziska,
    ich zähle mal ein paar Punkte auf, die mich interessieren:

    1. Ich würde zum einen gerne erfahren, ob Du die Auflösung der Morde vorausgesehen hast — ich fand die Hinweise auf eine „weibliche Verschwörung“ schon überdeutlich und die Auflösung überhaupt nicht überraschend. Umso schlimmer dann, wie die Auflösung vor sich ging: die Frauen, immerhin eine terroristische Vereinigung, die Morde mitverantwortet, stellen sich brav in Reihen auf, hören sich die Erklärung von Sherlock an, ziehen ihre Zipfelhauben ab, stehen wie Ölgötzen da, Watsons Zimmermädchen macht winkewinke, und dann kommt Moriarty und macht Peek-a-boo — Ende dieses Erzählstrangs. Noch mehr Anti-Klimax geht wohl nicht. Ich war enttäuscht.
    Am Ende bezeichnet Sherlock The Case of the Abominable Bride als „one of my rare failures“…

    2. Es gibt ja nicht nur Anspielungen auf Sufragetten, sondern auch auf unsere heutige Form von Terror — in einer Episode, in der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschwimmen, ist das ja auch naheliegend: Die vollverschleierte Frau, Ricolettis Selbstopfer (Sherlock: „every great cause has martyrs, every war has suicide missions“), Terrorbräute als Kämpferinnen für höhere Gerechtigkeit
    (Sherlock: „an army ready to rise up in the best of causes: to put right injustice as old as humanity itself“.) Das kann man als Spiegelung oder Zerrbild oder Anti-These zur Innenwahrnehmung heutiger Terrorbräute sehen, die ja ihr Leben für die Restaurierung patriarchalischer Verhältnisse einsetzen, nicht für deren Abschaffung.
    Mich hat schon am Ende der letzten Staffel äußerst irritiert, dass Sherlock plötzlich eine Lizenz zum Töten bekam — das ist für mich unvereinbar mit dem historischen Holmes. Dass er in dieser Folge auch noch mit Terrorbräuten sympathisiert und sich deren selbstgerechte Innenperspektive zu eigen macht (Selbstjustiz), ist erneut irritierend. Dass man die erfundenen frauenrechtlerischen Terrorbräute nicht 1:1 mit den heutigen Terrorbräuten gleichsetzen kann, ist da nur ein schwacher Trost. Die Serie kokettiert damit, zur Identifikation mit Ku-Klux-Klan-Methoden und Lynchjustiz einzuladen. Ist das jetzt ironische Provokation? Ist das ein Brechtscher Verfremdungseffekt, der Zuschauer soll sich distanzieren? Oder ist das nur Sherlocks innerer Dämon, der eingebildete Moriarty, der Sherlock dazu auffordert, Grenzen zu überschreiten?

    3. Um positiv zu enden: witzig fand ich das Anhängsel im Abspann, in dem Fiktion und Realität auf den Kopf gestellt werden: die moderne Ausprägung Sherlocks ist hier nur eine morphiumgetränkte Zukunftsphantasie Sherlocks und wird vom viktorianischen Watson abgetan: „Flying machines? What sort of lunatic phantasy is that…?“
    Und ja, eine von Watson erdachte Steampunk-Variante von Sherlock würde auch noch ins Tableau bzw. in den mind palace passen.

    P:S: Ich habe die Folge über onlinetvrecorder.com angesehen. Man muss sich aber vor der Ausstrahlung anmelden, daher keine Option für ivonni21.

    1. Wow, das ist ja mal eine ausführliche Antwort mit spannenden Gedanken. Vielen Dank.

      Zu 1. Nein, ich habe nicht gleich die Auflösung gecheckt, was aber nichts heißen muss, weil ich eigentlich nie vor der eigentlichen Auflösung hinter die Umstände des Falls komme. Ich stand im Jahr 2012 in London am St. Barths Hospital und habe erwartet, dass mir eine Eingebung kommt, wie Sherlock den Sprung überlebt hat. Die Eingebung kam nicht und zwei Jahre später habe ich mich dann fürchterlich geärgert. 😉 Mich hat es nicht gestört, dass der Erzählstrang zuende war, weil die Folge ja eine Collage aus verschiedenen Zeiten ist, die auch nicht alle einen Sinn ergeben müssen, weil sie ja Teil eines Gedankengebildes sind und Gedanken verlaufen nie stringend, sondern springen eben auch.

      Zu 2. Der Hinweis auf heutige Terrorbräute ist richtig. So weit hatte ich gar nicht gedacht, denn die Suffragetten sind natürlich zeitlich näher am viktorianischen London als die Jetztzeit. Ich weiß nicht, ob „sympathisieren“ das richtige Wort in Bezug auf Sherlocks Verhalten ist. Nachdem Sherlocks Episode ins viktorianische London ja reine „Kopfsache“ ist, wird ihm sein Unterbewusstsein schon irgendwie mitgeteilt haben, dass die Frauen am Ende ihren Kampf um Gleichberechtigung gewinnen werden. Mycroft deutet das ebenfalls schon an. Außerdem ist Sherlock ja von starken Frauen wie z.B. Irene Adler und Molly Hooper umgeben und bewundert sie auch. Das erklärt die entspannte Haltung von Sherlock zu den Vorfällen. Die Braut wusste ja auf was sie sich einlässt und hat ihren Tod selbst gewählt.

      Was die „Lizenz zum Töten“ am Ende der 3. Staffel abgeht, war das in der Tat ungewöhnlich, allerdings ist der Mord an Magnussen einer Ausnahmesituation geschuldet. Sherlock wollte einfach sicherstellen, das John und Mary glücklich werden können, ohne permanent Angst zu haben, mit Marys zweifelhafter Vergangenheit erpresst zu werden. Es ist also eine Art tödlicher Freundschaftsbeweis, den ich als Zuschauer durchaus nachvollziehen konnte, weil ich Magnussen sowieso ziemlich nervig fand und daher froh war, dass er „weg war“ – aber das ist nur persönliche Meinung. Sicherlich kann man fragen, warum Sherlock ins Exil geschickt wurde und nicht ins Gefängnis. (Um hierauf eine Antwort zu finden, müsste ich mir nochmal die Folge samt Audiokommentar anhören. Aufgrund der fortgeschrittenen Tages- bzw. Nachtzeit werde ich das jetzt aber nicht mehr tun.)

      1. Danke für die ebenfalls ausführliche Antwort.

        Ich fürchte, für Mord gibt es keine Entschuldigung. Was Du „Ausnahmesituation“ nennst, nennt der Staatsanwalt „Motiv“. Und während Sherlock im Gefängnis landen müsste, wartet auf die viktorianischen Terrorbräute der Henker.

        Man hätte es ja dabei belassen können, dass sie nur „harmlose“ Trittbrettfahrer sind, die den Schrecken für hehre Zwecke einsetzen. Aber nein, es wird ausdrücklich gezeigt, dass sie an allen Morden beteiligt sind, und die Zeitungsschnipsel erwähnen weitere Morde.
        Auf die viktorianische Molly Hooper wartet der Strick. Ziemlich abwegig, von starken Frauen zu reden, mit den historischen Suffragetten und deren außergewöhnlichen Methoden haben diese durchgeknallten Lynchmörderinnen nichts zu tun, ein Vergleich wäre für die Suffragetten beleidigend.

        Und diese ausweglose (Erzähl-)Lage wird aufgelöst, indem alles nur ein „Traum“ war. Das ist wirklich der älteste und abgedroschenste Erzähltrick — traurig. Wenig tröstlich, dass das Aufwachen mehrfach gebrochen, verschachtelt und als Ereignis zelebriert wird. Auch das gab es schon oft. Wenn Gedanken springen, dann erwarte ich einen Geistesblitz — dies war eher eine Bauchlandung.

        Insgesamt fürchte ich, dass die Serie in eine ähnliche Richtung geht, wie Sam Raimis „Spider-Man 3“: der Gute wird selber böse, um das Böse besiegen zu können. Ein riskanter Weg, und mein Vertrauen in die Autoren ist angekratzt.

        1. „der Gute wird selber böse, um das Böse besiegen zu können“ – Die Frage, die ich mir dabei stelle, ist: War Sherlock eigentlich je gut? Er ist ein richtiges Ekelpaket, behandelt sein Umfeld herablassend und kümmert sich auch nicht um Gesetze (Strafgesetzbuch, Betäubungsmittelgesetz), um die Gesundheit seiner Freunde (Mary, Mycroft und seine Eltern werden in „His last vow“ betäubt) und auch nicht um seine eigene Gesundheit (Drogenkonsum). Ihm ist in vielerlei Hinsicht alles egal, aber macht ihn das dann „gut“? Diese Null-Bock-Einstellung macht ihn vielleicht sympathisch, aber „gut“ macht sie ihn nicht. Ich zitiere da gerne noch aus der Reichenbach-Folge, wo Sherlock sagt: „I may be on the side of the angels, but don’t think for one second that I am one of them.“

          1. Er ist nicht nett („angel“), sondern ein „high-functioning sociopath“ (The Sign of Three). Aber er steht auf der richtigen Seite — dachte ich zumindest. Bei Breaking Bad sind wir aber noch nicht.

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