Locke (OmU, 2013)

Atemlos durch die Nacht

Achtung: Diese Kritik enthält einige Spoiler, weil es einfach nicht anders geht. 🙂

Nein, in LOCKE geht es nicht um die blonde Helene, sondern um den Bauleiter Ivan Locke (Tom Hardy), dem alles andere als nach Party zumute ist. Es ist ernst. Toternst. Er sitzt in seinem Auto und fährt nach London, obwohl morgen das Fundament eines Wolkenkratzers gegossen werden soll. Er wird nicht dabei sein. Kurzerhand ruft er über die Freisprechanlage seine Arbeitskollegen an um sie über die neue Entwicklung zu informieren. Bei ihnen stößt er zunächst auf Unverständnis. Die große Firma in Chicago werde ihm die Hölle heiß machen, wenn er nicht käme. „Fuck Chicago“ antwortet Ivan. Schnell wird klar, für Locke ist es wichtig, die Dinge nicht nur anzufangen, sondern auch fertig- und klarzustellen. Und so mischen  sich seine berufliche Anrufe mit Gesprächen mit seinen beiden Söhnen und seiner Frau, die derweil zuhause auf ihn warten. Aber auch ihnen muss er Einiges gestehen.

© Studiocanal
© Studiocanal

Locke ist kein sympathischer Protagonist. Er hat Ecken und Kanten und der Zuschauer ist sich nie sicher, ob Ivan Mitleid oder doch lieber einen guten Therapeuten nötig hat. Aber genau dieses Spannungsverhältnis aus Mitgefühl und Unverständnis treiben den Film an. Das offene Ende passt auch gut in dieses Gesamtkonzept. Locke will Dinge „richtig machen“ und konsequent zu seinen Fehlern stehen, daher auch der deutsche Filmtitel NO TURNING BACK. Dies zieht er ohne Rücksicht auf Verluste durch. In diesen Stunden. In diesem Auto. Auf dem Weg nach London. Die Motivation von Locke wird gleich mitgeliefert: Ivans Vater sitzt als unsichtbare Macht auf dem Rücksitz. Er hatte die Familie verlassen, als Ivan geboren wurde, und sich erst über 20 Jahre später dafür entschuldigt. Ivan will es besser machen, aber der Film wird es dadurch nicht. Die Selbstgespräche mit seinem unzuverlässigen Vater wirken zu gekünstelt und zu sehr auf dem Silbertablett serviert, obwohl Tom Hardy ansonsten eine fantastische Leistung abliefert. Er weiß es durchaus den wenigen Raum des Autos mit seiner Aura zu füllen. Man spürt, dass seiner Figur schwere Brocken auf der Seele liegen, die er bisher offenbar gut verbergen konnte. Seine wahren Gefühle sind daher tatsächlich locke-d. Auflockerung in die triste Atmosphäre bringt der einzige wahre James Moriarty himself, Andrew Scott. Hier gibt er den betrunkenen, und deshalb nicht ganz aufnahmefähigen, Arbeiter Donal, der für die wenigen Lacher sorgt.

Auch der Auto-Monitor wird hier narrativ eingebunden, indem er anzeigt, wer gerade anruft und auch eine wertende Haltung einnimmt, indem beispielsweise die Nummer von Locke’s Chef Gareth (Ben Daniels) unter „Bastard“ eingespeichert ist. Alle Szenen, mit Ausnahme des Beginns, spielen im Auto. Häufig setzt sich die Kamera auch an die Stelle von Locke. Man sieht die nächtlichen Lichter der Städte und Autos, an denen Ivan vorbeifährt. Die Straße. Und man hört den fantastischen, ruhigen wie emotionalen Soundtrack von Dickon Hinchliffe. Man hört die Anrufer. Ihre Wut und Verzweiflung. Leider bleiben weder für Tom Hardy noch für die Zuschauer Pausen, in denen sie diese Flut an Anrufen kurz reflektieren können. Es geht immer weiter. Während er telefoniert, sagt die emotionslose Computerstimme, dass ein weiterer Anrufer in der Leitung ist. Es gibt keine Pause und auch kein Zurück.

Packende One-Man-Show mit kleinen inhaltlichen Abstrichen (5/6)

Trailer: © Studiocanal

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