I Am Not a Witch (OmU, 2017)

Es gibt immer noch Länder, wo die Hexenkraft als etwas Reales begriffen wird. Fernab von jeglicher Harry Potter- oder Mittelerde-Romantik gibt es immer noch Länder, in denen Frauen als Hexen beschimpft werden. Oder wie im Falle von Rungano Nyonis Spielfilm, ein Kind.  Wegen einer Nichtigkeit wird die neunjährige Shula (Maggie Mulubwa)  der Hexerei bezichtigt. Innerhalb kürzester Zeit wird sie trotz des jungen Alters für schuldig befunden, verbannt und in ein Hexenlager in der Wüste geschickt.  Dort gelten strenge Regeln und sie muss sich einem Ritual unterziehen um die Regeln des Hexenlebens zu verinnerlichen.  Mit einem weißen Band wird Shula – wie auch die anderen „Hexen“ an einen großen Baum gebunden. Ihr wird erzählt, dass sie nun verflucht sei und sich in eine Ziege verwandeln wird, sollte sie das Band jemals durchtrennen. 

Filmstill aus I AM NOT A WITCH - Die Hexen - © 2017 Filmfest München
© 2017 Filmfest München
Die Ausgestoßenen der Gemeinschaft

Auch wenn der Filmtitel dies vielleicht andeuten mag, so richtig leugnen tut Shula ihre Hexenkraft nie. Sie schweigt, schaut, lernt und passt sich an. Und gerade hier wird der Film interessant. I AM NOT A WITCH durchzieht eine unterschwellige Gesellschaftskritik. Menschen verurteilen andere Menschen, die Polizei schaut zu, die Regierung macht sogar noch ein Geschäft dabei und der Ausgestoßene fügt sich irgendwann seinem Schicksal. Die als Hexen deklarierten Personen haben alle etwas gemeinsam: Es sind Frauen, Alte und Kinder. Alle drei Personengruppen haben in vielen Ländern der Erde nicht die gleichen Rechte wie der Rest der Gesellschaft und werden entweder unterdrückt oder an Orte gebracht, wo man sie nicht dauernd sieht, aber immer besuchen kann. Eine der eindringlichsten Szenen des Films ist eine Gruppe Touristen, die sich die „Hexen“ aus der Nähe anschaut.

Shula wird von der Touristengruppe bestaunt – © 2017 Filmfest München

Shula sitzt in einem überdimensionalen Holzkopf und wird von einer völlig schmerzfreien Touristin dazu aufgefordert doch einmal zu lächeln und ein Foto mit ihr zu machen. Noch so ein Spruch, den Frauen öfters hören. (Ich glaube, ich sollte den Film mal der → Filmlöwin empfehlen.) Fassungslos macht auch, wie die Regierung das Treiben auch noch unterstützt. Mr. Banda (Henry B.J .Phiri), ein korrupter Regierungsbeamter, setzt die Hexen als Gerichtsbarkeit  ein und kassiert dafür sogar eine Belohnung. Gibt es eine Straftat und mehrere Verdächtige, dann muss die Hexe den Schuldigen finden. Liegt sie richtig, bekommt sie Geschenke, die sie mit den anderen Hexen teilt; liegt sie falsch könnte das im schlimmsten Fall mit ihrem Tod bestraft werden.

Satire oder Ernst?

In Filmkritiken zu dem Film habe ich schon mehrfach das Wort „Satire“ gelesen. Ich kann diese Lesart zwar nachvollziehen, weil es aus europäischer Sicht wirklich lachhaft ist, wie hier sinnlose Anschuldigungen mit einem Leben in Verbannung enden. Für mich war es allerdings eher ein Drama.

Das weiße Band – © 2017 Filmfest München

Ich fand es absolut verstörend wie mit Shula umgegangen wird und dass dieses System der Hexenlager so reibungslos funktioniert. Noch schlimmer fand ich die Tatsache, dass es diese Hexenlager tatsächlich gibt. → Nichtregierungsorganisationen schätzen die Zahl der in sogenannte „Hexenlager“ deportierten Frauen auf ca. 3000. Die Regisseurin nahm sich allerdings einige künstlerische Freiheiten heraus um „ihr“ Hexenlager auf die Leinwand zu bringen. Die weißen Bänder, welche von den Hexen getragen werden müssen, sind → eine Erfindung der Regisseurin, allerdings eine fantastische Idee, da sie optisch die Verbannung und das Gefangensein sehr gut ausdrücken. Im letzten Drittel wird der Film leider etwas eintönig. Diese Eintönigkeit des Hexenleben-Alltags mündet aber in einem schockierenden Finale, das die Wartezeit im Nachhinein wieder etwas relativiert. Als Erstlingsfilm liefert Rungano Nyoni eine fantastische Leistung ab, nicht zuletzt wegen ihrer starken Besetzung, die nahezu vollständig aus Laiendarstellern bestand.

5/6 bzw. 8/10

5 thoughts on “I Am Not a Witch (OmU, 2017)

  1. Oh, der klingt interessant. Hab ich noch gar nix von gehört. Direkt mal auf die Liste setzen. Ich finde ja ohnehin, dass die Hexenthematik (auch im Mittelalter) jede Menge Stoff für interessante Geschichten bietet. Leider gibt es da aber kaum was zu, außer dann direkt sowas, was auch in den übernatürichen Bereich geht.

    1. Ich habe den Film auf dem Filmfest München gesehen und offenbar scheint der auch recht unbekannt zu sein. Leider gibt keinen deutschen Starttermin und zu einem DVD- oder Blu-Ray-Start habe ich nichts gefunden. Die Veröffentlichung könnte sich also noch eine Weile hinziehen. Aber das Warten lohnt sich definitiv.

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