Doctor Who: Deep Breath (O, 2014)

„Ich bleibe dabei, Clara ist scheiße!“ hört man aufgeregt aus der letzten Stuhlreihe. Zwei Reihen weiter vorne wird über die Doctor-Who-World Tour diskutiert. „Ich dachte, die kommen mal bei uns vorbei. Aber wo fahren sie hin? Nach KOREA oder so. Die deutschen Fans werden unterschätzt.“ Und außerdem sei es nach  Deutschland auch nicht so weit. Jedes Mal, wenn ein Kinobesucher mit Fez hereinkommt, wird es unruhig im Publikum. Einige klatschen sogar. Während dem Werbeblock werden Sonic Screwdriver Richtung Leinwand gehalten, in der Hoffnung das Surren möge doch die Werbung abschalten, aber ohne Erfolg. Als dann noch zwei Kinomitarbeiter Eis an den Mann bringen wollen, tönt es von irgendwo her: „Exterminate.“ Der Saal lacht.  Und auch wenn die meisten Deutschen außerhalb dieses Kinosaals keine Ahnung haben, was sie mit Begriffen wie Ten, Cybermen und Bad Wolf anfangen sollen, so fühlt man sich hier, quasi in geschlossener Gesellschaft, aufgehoben und zuhause.

Steven Moffat und die umgekehrte Psychologie

Grund für das Zusammenkommen ist der 1. Juni 2013. Da gab die BBC bekannt, dass Matt Smith, Doctor Nr. 11, die Serie verlässt – zum Entsetzen der weltweiten Fangemeinde. Sofort wurde spekuliert, wer denn sein Nachfolger sein könnte, bloß keiner hatte Peter Capaldi auf dem Zettel. Seit jüngster Kindheit ist Peter Doctor-Who-Fan und war deshalb schon völlig aus dem Häuschen als er eine Gastrolle in der Folge „The Fires of Pompeii“ (2008) an der Seite von Doctor Nr. 10 bekam. Und sechs Jahre später sollte er dann tatsächlich die Rolle seines Lebens spielen.

© BBC
Clara und der Doctor im Horror-Restaurant – © BBC

In der ersten Folge des neuen Doctors geht um einen Dinosaurier, der im viktorianischen London sein Unwesen treibt. Madame Vastra (Neve McIntosh), ihre Freundin Jenny (Catrin Stewart) und Commander Strax (Dan Starkey) treffen gerade noch an der Themse ein, als der gigantische Riese eine blaue Polizeibox ausspuckt. Allen ist klar, es muss der Doctor sein. Doch der (Peter Capaldi) ist seit seiner Regeneration total durch den Wind, verwechselt Namen und ist mit seinem neuen Äußeren nicht zufrieden. Und mit letzterem ist er nicht allein. Auch seine Begleitung Clara (Jenna-Loise Coleman) hat Probleme mit dem neuen Look. Doch all das wird nebensächlich, als der Dinosaurier aus ungeklärten Gründen in Flammen aufgeht. Die Neugier des Doctors ist geweckt. Und so macht er sich auf in sein erstes Abenteuer der 8. Staffel. Dabei kommt er Robotern auf die Spur, die Menschen umbringen um anschließend deren Organe zu stehlen und in sich einzubauen.

Exclusiv für das Kinopublikum gab es eine kurze Bonus-Sequenz. Darin erzählt Strax von allen bisherigen Doctoren und stellt fest, dass eigentlich nur der War doctor, der Einzige sei, der „Potenzial hatte“, typisch Sontaran halt. Drehbuchautor Steven Moffat zeigt mal wieder, was für tolle Drehbücher er schreiben kann. Clara wird im Laufe der Geschichte die Vertreterin der weltweiten Fangemeinde der Serie, muss sie sich ebenfalls mit dem neuen Äußeren arrangieren und wird von Seiten Madame Vastras dem Vorwurf ausgesetzt, den Doctor nur zu mögen, weil er ein junges Aussehen hat. Hier greift die umgekehrte Psychologie, die Moffat nicht nur an dieser Stelle gekonnt einsetzt. Denn Clara hält anschließend eine flammende Rede auf den Doctor. Auch gegen Ende, als alle Strapazen überstanden sind, meint der Doctor zu Clara: „You look at me, and you can’t see me.“ Auch das scheint sehr auf den Teil der Fangemeinde gemünzt zu sein, die Capaldi zunächst skeptisch gegenüberstanden. Vieles im Drehbuch wirkt manchmal wie eine Entschuldigung, beispielsweise wenn der Doctor sein neues Gesicht mit den Worten „You know, I never know where the faces come from. They just pop up.“ erklärt. Er ist der erste Doctor der „Neuzeit“, der sich kritisch mit seinem Äußeren und seiner Herkunft auseinandersetzt. Der typische DOCTOR WHO-Humor ist natürlich wieder mit dabei. So freut sich der Doctor sehr darüber, dass er Schotte ist: „I can complain about things. […] I probably blame the English.“ – womit die schottische Grundhaltung einwandfrei definiert ist. Wenn man böse wäre, könnte man auch eine Kritik am → schottischen Unabhängigkeitsreferendum, welches am 18. September stattfinden wird, hineininterpretieren.

Ebenfalls toll ist, dass auf der Metaebene unglaublich viel in dieser Folge steckt. Als dem Doctor kalt ist, möchte er gerne einen langen Schal (Referenz: Der vierte Doktor). Als der Doctor einen Mann fragt, ob er dieses Gesicht schonmal gesehen habe und der dieses verneint, meint der Doctor: „It’s funny, because… I’m sure that i have“, was indirekt auf die „Fires in Pompeii“-Folge verweist. In der Szene, in der Clara vom Doctor befreit wird, trägt er eine Maske, die seinem Vorgänger Matt Smith zum Verwechseln ähnlich sieht, und reißt sie sich mit Schwung vom Gesicht, was die Regeneration ebenfalls nochmal verdeutlicht. Kurzum: DOCTOR WHO macht Spaß. Dennoch wurde klar, dass Capaldi seine Traumrolle völlig anders anlegt. Er ist erwachsener und nicht so aufgedreht wie Tennant oder Smith.  Ob das besser für die Serie ist, muss man sicherlich erst noch sehen, aber ein guter Anfang ist gemacht.

Welcome back, Doctor! (5.5/6)

Trailer: © BBC

3 thoughts on “Doctor Who: Deep Breath (O, 2014)

  1. Ein gelungener Auftakt und Start für die 8. Staffel. Ich stehe Peter C. neutral gegenüber. In Torchwood hat er mich sehr beeindruckt. In seiner Rolle als Steinmetz weniger. Aber so wie er die Rolle anlegt, ist er sicherlich noch für die eine oder andere Überraschung gut.

    Seine ruhigere und gesetztere Interpretation kommt zur rechten Zeit. Nach witzig (Tennant) und kindlich (Smith) kommt nun die gereifte Regeneration.
    Du hast das mit der Metaebene sehr gut getroffen. Dieser Doctor bietet unterschwellig noch einige Sahnebonbons für Fans mit Spürsinn. Ich denke dieser Charakterzug wird der Rolle einen besonderen Schatten verleihen. Unterschwellig aber für Beobachter vorhanden.

    1. Ich stehe Peter Capaldi derzeit auch noch neutral gegenüber. So richtig mag ich noch nicht den Doctor in ihm sehen, aber das kann auch daran liegen, dass ich ihn schon vor Doctor Who kannte – im Gegensatz zu David Tennant und Matt Smith. Er ist halt total anders. Er lässt auch mal irgendwelche Leute sterben um sein eigenes Leben zu retten und das ist doch relativ neu. Aber ich bin gespannt, wie sich die Staffel noch entwickelt. Vielleicht macht es ja doch noch irgendwann „Klick“ und plötzlich „sehe“ ich den Doctor.

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